Heiko Kaiser (57), Redakteur beim Haller Kreisblatt und nebenberuflich Heilpraktiker aus Halle (Westfalen) verzichtet ein bis zwei Mal im Jahr für einige Tage komplett auf Nahrung.

Heiko, du praktizierst regelmäßig das so genannte Heilfasten nach Buchinger. Warum? Wie oft fastest du?

Ich habe mit Anfang 20 damit angefangen. Ich habe davon gelesen und fand es spannend, zu erfahren, wie es ist, einfach mal ohne Nahrung, ohne Essen auszukommen. Damals habe ich in Borgholzhausen in der Landesliga Handball gespielt. Ich habe mich gefragt: „Geht das? Kann ich das machen?“ Und es ging. Es ging gleichzeitig Sport zu treiben zu arbeiten und dabei zu fasten. Ich habe mir ein Buch gekauft und einfach angefangen. Fünf Tage reines Heilfasten, zwei Aufbau- und drei Abbautage. Mich hat begeistert, dass ich ein völlig neues Körpergefühl bekommen hatte. Ich konnte besser riechen und alle Sinne wurden intensiviert. Ich hatte außerdem das Gefühl, dass ich sogar mehr Kraft hatte. Seitdem mache ich das ein bis zwei Mal im Jahr.

Wie läuft das ab und was machst du genau?

Früher habe ich mich ganz akribisch nach einer Vorlage vorbereitet. Zwei Tage vorher habe ich auf schwer verdauliche Lebensmittel wie Fleisch und auch auf Alkohol verzichtet. Dann wird es mit einer Darmentleerung eingeleitet. Die kann man entweder durch Glaubersalz oder durch einen Einlauf hervorrufen. Ich habe immer den Einlauf gewählt, weil ich es als wesentlich schonender empfunden habe. Das ist für mich dann das Startzeichen dafür, dass nun eine Zeit beginnt, in der ich bewusst auf feste Nahrung verzichte. Ich trinke nur noch Tees und Wasser. Mittags mache ich meine Fasten-Brühe aus Gemüsesud.

Das heißt also, du verzichtest fast komplett auf Nahrung. Ist das nicht genau das falsche Signal für den Körper?

Heilfasten ist ja kein Ernährungsprogramm für das ganze Leben. Auf Dauer braucht man eine ausgewogene Ernährung, keine Frage. Das Fasten hat eine ganz andere Funktion. Für mich hat es die, einmal zu „reseten“ und bestimmte Ernährungsgewohnheiten auf den Prüfstand zu stellen, zu sehen, wie viel Alkohol trinke ich eigentlich, wie oft greife ich automatisch in die Süßigkeitenkiste. Das setze ich dann auf Null. Außerdem hat Heilfasten die Funktion, dass Giftstoffe ausgeschieden werden. Dadurch dass ich keine Nahrung mehr zu mir nehme, ernährt sich der Körper von den eigenen Depots.

Denn es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten, damit der Körper versorgt wird. Das ist einmal die Zufuhr von Außen , zum anderen aber die Ernährung aus körpereigenen Depots. Das ist nicht ungewöhnlich. Der Mensch ist in seiner Entwicklungsgeschichte darauf eingestellt. Denn es gab immer Phasen, in denen keine Nahrung zur Verfügung stand. Deswegen hat der Körper die Möglichkeit, auf die Fettverbrennung umzuschalten und sich daraus zu ernähren. Im Prinzip entsteht dadurch kein Mangel – für eine bestimmte Zeit jedenfalls. Diese Fettverbrennung ist jedoch so schnell wie beispielsweise der Verbrauch von Kohlenhydraten. Man muss sich darauf erst einmal umstellen. Danach leidet man aber keinen Hunger. Ich habe das vorher selbst nicht geglaubt. Appetit ist da, keine Frage. Ich rieche dann jede Bäckerei schon auf 200 Metern – aber eben kein Hunger.

Fastest du also, um Gewicht zu verlieren?

Eigentlich nicht. Das ist lediglich ein begleiteter Faktor. Ich habe es einmal gemacht, um Gewicht zu verlieren. Vor zehn Jahren war ich bei einer Fortbildung in Hagen. Dort gab es ein „Komplettprogramm der Ernährung“ – morgens Frühstück, Essen, Kuchen und viel Sitzen. Da habe ich in sechs Wochen acht Kilogramm zugenommen. Dadurch entwickelte ich Bluthochdruck. Der Arzt riet natürlich zu blutdrucksenkenden Medikamenten. Ich habe dann aber für mich entschieden, mein Gewicht durch Fasten zu reduzieren. Ich habe anschließend 17 Tage gefastet und dabei zehn Kilogramm verloren. Danach war der Blutdruck wieder völlig normal.

Ansonsten faste ich, wie gesagt, um einen Haltepunkt zu setzen.

Würde es nicht reichen, auf bestimmte Lebensmittel zu verzichten?

Das ist eine Möglichkeit. Eine Möglichkeit, für sich oder auch andere ein Zeichen zu setzen. Das ähnelt dann dem religösen Fasten. Eine Art, sich selbst bewusst einzuschränken. Heilfasten nach Buchinger aber hat eine ganz andere Funktion. Es aktiviert die Selbstheilungskräfte des Körpers. Buchinger selbst soll sich damit von schweren Stoffwechselstörungen kuriert haben. Das habe ich auch immer wieder bei der Begleitung von Menschen in der Fastenzeit erlebt. Durch die abbauende Stoffwechsellage, die durch die minimalistische Nahrungsversorgung entsteht, werden eingelagerte Substanzen ausgeschieden. Ich habe immer wieder erlebt, wie das positive Auswirkungen auf Stoffwechselerkrankungen wie zum Beispiel Rheuma oder chronische Hauterkrankungen hatte.

Ich persönlich finde es einfacher komplett auf Nahrung zu verzichten. Aber das ist eine Typfrage. Ich bin eher für ein „alles oder nichts“. Wenn ich auf bestimmte Dinge verzichte, bleibt immer noch eine Hintertür: „Das könntest du jetztvielleicht dfoch zu Dir nehmen…“. Ich brauche für mich Klarheit. Es fällt mir leicht, weil nach spätestens drei Tagen der Hunger weg ist. Das einzige Verlangen, das nicht zurück geht, ist das nach Curry-Wurst 🙂

Fasten hat also Auswirkungen auf die Psyche. Schlägt dir der Verzicht aufs Gemüt? Was passiert bei Heiko Kaiser während des Fastens im Kopf?

Eigentlich ist man, wenn erst einmal die ersten beiden Tagen überstanden sind, sogar klarer. Es kehr eine Ruhe ein. Emotional und auch gedanklich. Wie eine Entschleunigung. Nicht selten treten dabei emotionale Reaktionen auf. Ich glaube, dass es so ist, dass man bestimmte Fett-Depots auch aus emotionalen Gründen angesammelt hat. Man kennt Begriffe wie „Frust-Essen“ oder „Kummerspeck“. Jeder von uns hat seine eigene Strategie, durch Essen Defizite auszugleichen, die in Stresssituationen entstehen. In dem Moment, in dem du diese Depots dann wieder auflöst, wirst du mit alten Themen konfrontiert – emotionalen Themen. Das ist auch ein Phänomen des Fastens. Von daher ist es immer gut, Fasten in der Gruppe zu machen. Zumindest, wenn man noch nicht so erfahren ist. Jemand der sich auskennt, kann beispielsweise mit homöopathischen Mitteln unterstützen oder bei der Ausleitung helfen. Dazu gehören beispielsweise die täglichen Leberwickel.

Trotzdem hat Fasten positive Auswirkungen. Besteht da nicht schnell die Gefahr eines „Fasten-Rausches“? Also, dass man gar nicht mehr damit aufhören kann?

Ich glaube, dass diese Gefahr zunächst nicht besteht. Ein Mensch, der sich dafür entscheidet, einmal für fünf Tage auf feste Nahrung zu verzichten, läuft nicht Gefahr, in einen Rausch zu kommen. Das gilt selbstverständlich nicht für Menschen, die schon vorher ein Essproblem hatten. Bei mir selbst habe ich erlebt, wie nach zwei Wochen ohne Nahrung plötzlich der Gedanke entsteht: „Wenn ich jetzt aufhöre und wieder esse, dann war alles umsonst.“ Hier lauert sicher ein Suchtproblem. Auf der anderen Seite sollte man aber überlegen, was wir tagtäglich in puncto Ernährung aber auch in anderen Lebensfeldern, wie Fernsehkonsum oder Internetgebrauch, tun. Das ist vielfach auch nichts anderes als Suchtverhalten. Ich persönlich bin sicher nicht von der Fastensucht gefährdet. Dafür esse ich viel zu gerne 🙂

Was würdest du „Fasten-Willigen“ raten? Wie kann ich beginnen? Wie informiere ich mich?

Es kommt immer darauf an, was man für ein Typ ist. Man kann sich im Internet oder in Büchern informieren und so selbst und ganz eigenständig beginnen. Denn Fasten kein ja kein Hexenwerk. Nahrungsverzicht ist dennoch für viele ein ganz sensibles Thema. Für sie ist es hilfreich, jemanden an ihrer Seite zu wissen, der sie unterstützt, der Fragen beantwortet und sie begleitet. Das tue ich in Fastenkursen, die ich leite. Ganz wichtig ist aber, dass all diejenigen, die gesundheitliche Probleme haben, vorher mit ihrem Arzt abklären sollten, ob Fasten für sie überhaupt in Frage kommt. Es muss dabei beispielsweise geklärt werden, ob Heilfasten und die damit verbundene Nahrungskarenz mit einer Medikamenteneinnahme verträglich ist.

Optimal ist es natürlich, sich einer Fastengruppe anzuschließen oder noch besser, einen Fastenurlaub zu machen. Wenn alles organisiert ist, muss ich mir keine Gedanken machen, sondern kann mich ganz der Fastenzeit widmen, mich mit anderen austauschen und beim Fastenwandern etwas für meine Kondition tun.

Ist es denn möglich, trotz Nahrungsverzicht sich zu bewegen oder gar Sport zu treiben?

Nicht nur möglich sondern notwendig. Das verhindert nämlich, dass der Körper Muskelmasse abbaut, was ja vielfach als Kritik am Heilfasten geäußert wird. Im Rahmen einer Heilfastenwoche habe ich in Zusammenarbeit mit einem Fitnessstudie bei den Teilnehmern vorher eine Körperanalyse hinsichtlich Fett-, Wasser- und Muskelanteil durchgeführt. Diese Analyse haben wir nach Ende der Fastenzeit wiederholt. Der Clu dabei war: Das Fasten wurde mit täglichem Ausdauer- und Muskeltraining kombiniert. Bei allen ist der Körperfettanteil in dieser Zeit signifikant gesunken, während der Muskelanteil gestiegen ist.

Zu guter Letzt: Stell dir vor, deine Fastenzeit endet. Was isst du als erstes oder worauf hast du am meisten Lust?

Am meisten Lust natürlich auf Curry-Wurst 🙂 Das aber wäre fatal, weil der Verdauungstrakt sich erst einmal wieder langsam an die Nahrungszufuhr gewöhnen muss und mit einer Curry-Wurst sicher völlig überfordert wäre. Das Fastenbrechen erfolgt deshalb nach einem Plan. Es gibt eine Faustregel: Die Aufbauzeit, in der ich schonend wieder an das Essen herangeführt werde, sollte so lange sein wie die reine Fastenzeit. Ich breche das Fasten immer mit einem Apfel. Der erste Bissen ist wie eine Geschmacksexplosion im Mund.